Globaler Klimawandel im Industriezeitalter
Vortrag von Professor Dr. Christian-D. Schönwiese am 12. Oktober 2021 im Museum Wiesbaden
(Text: Sabine Neugebauer, überarbeitet von Professor Dr. Christian-D. Schönwiese, 17.11.2021)
Schon 1896 hat ein schwedischer Wissenschaftler, Svante Arrhenius, den anthropogenen Klimawandel aufgrund der Nutzung fossiler Energieträger, insbesondere Kohle, vorausgesagt und berechnet. Dies berichtete Professor Dr. Christian Schönwiese bei seinem Vortrag zum Thema „Globaler Klimawandel im Industriezeitalter“ am 12. Oktober im Museum Wiesbaden. Zuvor hatte Dr. Wolfgang Ehmke, 2. Vorsitzender des Nassauischen Vereins für Naturkunde, die Zuhörer nach längerer Coronapause wieder im Vortragssaal des Museums begrüßt. Noch 1969 habe die die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre nur 333 ppm betragen, heute seien es schon 415 ppm. „Die Auswirkungen kennen alle“, betonte Ehmke, „Trockenheit, Eisschmelze, Überschwemmungen“.
Der Mensch als Klimafaktor
Bis jetzt betrage der Temperaturanstieg im Mittel 1,3 °C. Der Mensch werde als Klimafaktor immer bedeutsamer, hob Schönwiese hervor. Die Climatic Research Unit der University of East Anglia, Norwich, Großbritannien, hat Klimadaten von 1850 bis heute gesammelt und ausgewertet. Zunächst ist es in dieser Zeitspanne im globalen Mittel kälter geworden, aber ab 1904 hat der Temperaturanstieg begonnen. Ein erster deutlicher Schub ist in den Jahren 1910 bis 1944 verzeichnet worden, ein zweiter ab 1970. Der Temperaturanstieg sei weltweit nicht überall gleich, so der Klimaforscher. Südlich von Grönland ist es beispielsweise kälter geworden, was an der dortigen Meeresströmung liegt. Maximale Werte des Temperaturanstiegs liegen regional bei 4 °C. Und es kommt auch zu einer Umverteilung der Niederschläge mit starken regionalen Unterschieden. Für Deutschland kann auf Wetteraufzeichnungen seit 1761 zurückgegriffen werden. Auch wenn die Unterschiede von Jahr zu Jahr groß sind, sieht man an den Trends die langfristige Erwärmung. Im Mittel hat die Temperatur in Deutschland in den Jahren von 1961 bis 1990 8,3 °C betragen, im Jahr 2018 sind es 10,5 °C gewesen.
Wechselwirkungen und externe Einflüsse
Es gibt intensive Wechselwirkungen zwischen Ozeanen und Atmosphäre sowie sogenannte externe Einflüsse wie beispielsweise die Sonnenaktivität. Dazu gehört auch der Vulkanismus, durch den zusätzliche Gase und Partikel in die Atmosphäre gelangen. Bekannt ist das „Jahr ohne Sommer“ 1816 nach dem Ausbruch des Tambora 1815 in Indonesien. Bis drei Jahre nach dem Ausbruch hat es Auswirkungen auf das weltweite Klima gegeben. Aber der Klimafaktor Mensch verursacht mittlerweile viel gravierendere Auswirkungen.
Spurengase und Treibhauseffekt
Hat der weltweite CO2-Ausstoß um 1900 noch 2 Giga-Tonnen im Jahr (Gt/J) betragen, waren es 1990 schon 22,5 Gt/J gewesen und trotz aller Warnungen hat sich der Ausstoß bis 2020 auf insgesamt 41 Gt/J erhöht. Dabei werden 34,1 Gt/J der Nutzung fossiler Energien zugeschrieben und der Rest unter anderem der Waldrodung, aber mit einem Anteil von 3% auch der Zementproduktion. „Die CO2-Konzentration reagiert mit einer Verzögerung von Jahrzehnten“, so Schönwiese. Um 1900 hat die Konzentration noch 290 ppm betragen, im Holozän vor dem Industriezeitalter etwa 280 ppm. Der natürliche Treibhauseffekt, an dem Wasserdampf mit 60 % und CO2 mit 26 % beteiligt sind, ist zwar für die Erde wichtig, weil es ohne ihn rund 30 °C kälter wäre; aber seine Verstärkung durch menschliche Aktivitäten und die dadurch bewirkte Erderwärmung ist unser Problem. Dabei kommen zu CO2 noch Methan und andere Spurengase hinzu.
Blick in die Zukunft
Mit Blick auf die Zukunft hätten 33 Institutionen 70 Modellrechnungen zur erwarteten Erderwärmung bis zum Jahr 2100 erstellt, berichtete der Klimaforscher. Dabei sind je nach Szenario Erwärmungen von 2,7°C bis zu 4,4 °C herausgekommen. Selbst wenn die Emissionen sofort auf Null zurückgehen und größere Mengen von CO2 der Atmosphäre entzogen werden könnten, liegt die Erwärmung noch immer bei 1,4 bis 1,8 °C. Dabei kann es in der unteren Atmosphäre regionale Temperaturanstiege von 3 bis 4 °C geben, während die obere Atmosphäre, insbesondere die Stratosphäre, kühler wird. Aufgrund der bodennahen Erwärmung wird bis 2100 mit einem Meeresspiegelanstieg um 0,45 bis 1 m gerechnet, falls die Eisschilde instabil werden, sogar bis zu 2 m. Hinzu kommen häufigere Extremereignisse. Auch der Rückgang der Meereisbedeckung und des Permafrostbodens gehören zu den Folgen der globalen Erwärmung. Weitere Folgen sind Belastungen der Ökosysteme, Probleme in der Landwirtschaft und auch gesundheitliche Probleme durch Hitze und Ausbreitung von Tropenkrankheiten. Flächenbrände, wie man sie aus Kalifornien und Kanada kennt, werden vermehrt auftreten. Und Rückkopplungseffekte wie das Freisetzen von Methan und CO2 aus dem tauenden Permafrostboden und der sich verstärkende Eis-Albedo-Effekt kommen noch hinzu. Schönwiese sah dringenden Handlungsbedarf bei der Anpassung an die Klimaänderungen, aber auch in der Vorsorge, wie sparsame Energienutzung, die Umstellung von kohlenstoffhaltigen Energieträgern auf andere, aber auch Vegetationsschutz und Aufforstungen. „Ich fürchte, es könnte noch schlimmer kommen, als wir derzeit meinen“, schloss er seinen Vortrag.