Von Birkenpech über Vinyl und PET bis zur Polymilchsäure

Treffen von NVN und RNG in Mainz am 19. Oktober 2023

Der Kunststoff-Bildungspfad, ein Projekt des Max-Planck-Instituts (MPI) für Polymerforschung, stand neben allgemeinem Austausch im Mittelpunkt des Treffens von Mitgliedern der Vorstände des Nassauischen Vereins für Naturkunde und der Rheinischen Naturforschenden Gesellschaft am 19. Oktober 2023. Im September 2021 wurde der Bildungspfad eröffnet, der nur im Rahmen einer Führung erlebt werden kann. Christine Rosenauer, Arbeitskreis Physikalische Chemie der Polymere am MPI für Polymerforschung, übernahm an diesem Tag die Führung für das gute Dutzend an interessierten Zuhörern. Beginnend mit einem Zeitstrahl der Nutzung, Entdeckung und Entwicklung von Polymeren nannte Rosenauer Hermann Staudinger (1881 bis 1965, Nobelpreis für Chemie 1953) den „Vater der Polymerchemie“, da er organische Molekülketten postuliert hatte. Und diese können nicht nur künstlich hergestellt werden, sondern existieren auch in der Natur, wie beispielsweise Lignin und Zellulose. Darum wurde Holz auch an mehreren Stationen des Polymerpfades als Material eingesetzt. Wie an der Station, wo die unterschiedlichen Möglichkeiten der Anordnung von Kettenmolekülen dargestellt wurden.

Von kristallinen und amorphen Strukturen

Es gebe einerseits kristalline Strukturen andererseits amorphe Strukturen bei den gleichen Molekülketten, erläuterte Rosenauer. Und dies erkläre ganz unterschiedliche Eigenschaften. Bei PE würde das Material mit amorpher Struktur zur Herstellung von Plastiktüten eingesetzt, bei kristallinen Strukturen eigne es sich für schusssichere Westen. Der Weg führte weiter zu den Stationen die unterschiedliche Einsatzgebiete für Kunststoffe darstellen. In der Medizin seien solche Dinge wie Einweghandschuhe oder Blutbeutel alltäglich, aber es werde auch an biokompatiblen Kunststoffen gearbeitet, die im Körper abbaubar seien, so die Chemikerin weiter. Auf einem Vlies aus solchen Stoffen könnten beispielsweise körpereigene Zellen wachsen, die nach Abbau des Vlieses übrig blieben und so Gewebe neu aufbauten.

Kunststoffe in Auto, Sport, Bau und Alltag


An der Station „Auto“ erläuterte sie, dass in einem PKW etwa 18 Kilogramm allein an Klebstoffen, die auch zu den Polymeren gehören, verwendet würden. Auch im Bereich Sport gibt es zahlreiche Einsatzgebiete für Kunststoffe: Tartanbahn, Trampolin, Kunstrasen, Fallschutz, unterschiedlichste Seile und vieles mehr. Aber Polymere sind auch aus dem Alltag und dem Bau nicht mehr wegzudenken. Dann ging Rosenauer auf die Begriffe biobasierte und bioabbaubare Kunststoffe ein. Erste würden auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen hergestellt, was aber nicht bedeute, dass sie gleichzeitig auch bioabbaubar seien. Während es bei auf Erdölbasis hergestellten Kunststoffen genau andersherum sei. Allerdings sage der Begriff „bioabbaubar“ auch nichts über den Zeitraum des Abbaus aus, der durchaus sehr lang sein könne. Was auf die gezeigte Mulchfolie beispielsweise nicht zutreffe, diese könne nach einer Saison in Nutzung durchaus einfach untergepflügt werden. „Mikroplastik ist überall: in der Luft, im Wasser, im Boden im Körper“, so Rosenauer. Viele Kunststoffe würden in immer kleinere Teile zerrieben, aber sie würden nicht zu Wasser und CO2 zerfallen. Derzeit funktioniere das Recycling allein bei PET sehr gut, da es sortenrein gesammelt werden könne. Manche Folie dagegen bestehe aus bis zu sieben unterschiedlichen Lagen und sei somit nicht trenn- und recycelbar. Geforscht werde am chemischen Recycling, wobei die „Perlenketten“ aus denen die Kunststoffmoleküle bestehen in ihre einzelnen „Perlen“ getrennt werden könnten.

Nanokugeln als Medikamenten-Transporteure

Ein anderes Forschungsfeld seien Nanokugeln, durch die Medikamente in den Blutkreislauf von Menschen eingeschleust werden könnten. Bei Pflanzen wie beim Wein funktioniere das schon. So könne eine sonst für die Reben tödliche Pilzkrankheit wirksam bekämpft werden. „Wir werden die Ergebnisse unserer Arbeit oft nicht sehen“, bedauerte Rosenauer etwas, da das MPI in seinen 86 unterschiedlichen Instituten vor allem Grundlagenforschung betreibe. Im Anschluss an den Rundgang traf sich die Gruppe im Restaurant „Plaka“ zu Austausch und gemütlichem Beisammensein. Als Ziel für die gemeinsame Exkursion im Sommer 2024 wurden die extrem hochwertigen Magerwiesen im NSG am Hirtenborn bei Oberdiebach festgelegt.

Weitere Informationen

Führungen


Für alle, die schon immer mal wissen wollten, was Polymere sind


Da wir in einem Zeitalter leben, in dem Kunststoffe wie selbstverständlich zu unserem Leben gehören, wollen wir alle Bevölkerungsgruppen und jede Altersstufe auf eine Reise durch die Welt der Polymere mitnehmen.


Angebote


Führungen: Wir bieten Führungen über den gesamten Pfad sowohl für Gruppen als auch für Einzelpersonen zu den unten stehenden Terminen an. Dauer ca. 1,5 – 2 Stunden. Um Anmeldung per E-Mail wird gebeten. Sollte keiner der Termine passen, kontaktieren Sie uns, wir finden eine Lösung.


Schwerpunkt-Führungen: Sie können auch Themenschwerpunkte wählen wie Historie & Anwendungen, Mensch & Umwelt oder Forschung & Vision.


Quiz: Hier haben Sie die Möglichkeit, den Pfad selber zu erkunden und an einzelnen Stationen mehr zu erfahren. Im Anschluss werden die Fragen und Antworten gemeinsam mit einer Person aus unserem Team erörtert und es bleibt Zeit zur Diskussion. Gruppengröße: 5 – 6 Personen, bis zu 4 Gruppen parallel möglich. Dauer ca. 1,5 Stunden.


Tagesprogramm: In Kooperation mit dem NaT-Lab für Schülerinnen und Schüler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz gibt es ein separates Angebot speziell für Schulklassen ab der Jahrgangsstufe 7. Hierzu geben wir Ihnen gerne detailliertere Informationen. Schreiben Sie uns einfach eine E-Mail.


Termine


Ab März gibt es feste Termine: jeden 2., 3. und 4. Mittwoch des Monats von 10.00 – 12.00 Uhr und jeden 1. Donnerstag im Monat zur selben Zeit.


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Bitte beachten Sie: Der Bildungspfad befindet sich auf privatem Gelände, deshalb bieten wir bislang nur Führungen und das Quiz an.